Low-Code: Heiliger Gral oder Kinderkram? – Ein Selbstversuch mit OutSystems

22. Februar 2022

Globalisierung, Digitalisierung, Agile Transformation – es braucht ständig neue Hype-Themen, um die Mühlen von Innovation und Marketing am Laufen zu halten. Low-Code ist eines dieser Themen, von denen ich in den letzten Jahren zunehmend gelesen habe. In meiner naiven Vorstellung verbarg sich bis dato dahinter „Clicky-Clicky Code für Dummies“ und nichts für „echte Fullstack Developer„. 

Im Management kommt diese Technologie freilich gut an, mit dem Versprechen schnellerer Entwicklungsprozesse, geringerer Kosten und Verbesserung in der Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilung. 

2025: Low-Code Anteil bei über 70% 

Gartner hat prognostiziert, dass im Jahr 2025 über 70% der Applikationen in Low-Code realisiert werden. 

Vielleicht doch mal an der Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? 

OutSystems wird nicht nur von Gartner, sondern auch Forrester als Marktführer auf diesem Gebiet genannt und – hoppla – die Low-Code Plattform dieses Herstellers gibt es schon seit 20 Jahren. Da darf man mehr als ein Spielzeug und einiges an Evolution, Reife und Komplexität erwarten. 

Back to Code 

Wenn ich heute nach Umwegen über PM, Consulting, Agile Training & Coaching wieder den Weg zurück zum Code (ver)suche, stelle ich fest, dass die Welt wesentlich komplexer geworden ist: Es reicht längst nicht mehr aus, die ein oder andere Programmiersprache zu beherrschen. Das Wissen zu Frameworks, Tools, Methoden und Architekturen ist viel wichtiger geworden und die Lernaufwände entsprechend gestiegen. 

Ich bin gespannt, was einem IT-Veteran wie mir mit einer Low-Code Plattform gelingen kann. 

Das Online Kursmaterial verspricht, dass man über 20 Kurse in 11 Stunden die Reife zum „Reactive Web Developer“ – dem Einstieg in die Welt von OutSystems – erwerben kann. Die einfachen Übungsaufgaben sind gut zu bewältigen: Mit dem Visual-Studio kann man in den drei Tiers Daten, Logik und UI seine Applikation graphisch unterstützt modellieren, programmieren, kompilieren und auf die entsprechenden Instanzen einer AWS Cloud-Umgebung deployen. Es braucht kein DevOps Team, um Umgebungen aufzubauen und zu administrieren – man hat alles selbst in der Hand.

Das ist unglaublich faszinierend und schnell. Die Zertifizierung ist schon nicht mehr so trivial, aber machbar. 

Das erste eigene Projekt 

Weil mir spontan nichts Besseres einfällt, baue ich zur Übung mein eigenes Covid-Portal, nutze REST-Services mit Daten des RKI und bereite graphisch auf, was mich interessiert. Nach wenigen Stunden steht die erste Version und ist am PC und mobil auf dem Smartphone nutzbar:

Noch schneller wäre es gegangen, hätte ich dazu dieses hilfreiche HowTo meines Kollegen zur Verfügung gehabt. So einfach geht das.

Der Versuch den Funktionsumfang zu erweitern, zeigt dann aber deutliche Mängel in meinem Design der Architektur auf. Rückblickend hätte ich mir vorab eine ganze Menge mehr Gedanken machen müssen: Fundiertes Verständnis von mehrschichtiger IT-Architektur, Datenmodellierung, Konnektoren, CI/CD, Domain Driven Design und viele andere Aspekte der Handwerkskunst eines Fullstack-Entwicklers werden weiter dringend benötigt. Insbesondere wenn es um eine Applikationslandschaft in einem Enterprise-Umfeld geht. Werkzeuge wie zur Analyse von Abhängigkeiten oder technischen Schulden entfalten ihr Potential erst in der Hand eines Profi-Entwicklers.  

Low-Code: Eine Sackgasse für Entwickler? 

Die Furcht, dass man sich als Entwickler mit Low-Code in eine proprietäre Nische begibt, ist nicht nur aufgrund des prognostizierten Marktanteils unbegründet. OutSystems nutzt an vielen Stellen bekannte Standards, wie die zugrunde liegende AWS Infrastruktur, CI/CD Pipelines mit Jenkins oder Azure DevOps sowie Konnektoren zu über 400 gängigen Systemen. Außerdem kann man eigenen Code in C# oder JavaScript integrieren.

Ohne Profi-Entwickler geht es nicht 

Immer mehr Komplexität auf der einen Seite und eine immer kleinere Elite, die diese beherrscht, auf der anderen? Wer soll die vielen Applikationen der Zukunft entwickeln? 

Low-Code eröffnet Perspektiven für ambitionierte Quereinsteiger Teil eines Entwickler-Teams zu werden und darin zu wachsen.  

Es macht aber nicht den Laien automatisch zum Profi-Developer, sondern vielmehr den Profi zum effizienten und autarken Profi, der alle Aspekte seines Projekts in den eigenen Händen hat und schneller Ergebnisse erzielen kann. 

Fazit 

Letztlich lebt ein gutes Team immer vom richtigen Mix. Die bisherigen Erfahrungen der pica GmbH zeigen jedenfalls, dass auch gestandene High-Code Entwickler begeistert von den Möglichkeiten einer Low-Code Plattform sind.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner